Die Zeit geht nicht, sie stehet still, <br />Wir ziehen durch sie hin; <br />Sie ist die Karawanserei, <br />Wir sind die Pilger drin. <br />Ein Etwas, form- und farbenlos, <br />Das nur Gestalt gewinnt, <br />Wo ihr drin auf und nieder taucht, <br />Bis wieder ihr zerrinnt. <br />Es blitzt ein Tropfen Morgentau <br />Im Strahl des Sonnenlichts; <br />Ein Tag kann eine Perle sein <br />Und ein Jahrhundert nichts. <br />Es ist ein weisses Pergament <br />Die Zeit, und jeder schreibt <br />Mit seinem roten Blut darauf, <br />Bis ihn der Strom vertreibt. <br />An dich, du wunderbare Welt, <br />Du Schönheit ohne End', <br />Auch ich schreib' meinen Liebesbrief <br />Auf dieses Pergament. <br />Froh bin ich, dass ich aufgeblüht <br />In deinem runden Kranz; <br />Zum Dank trüb' ich die Quelle nicht <br />Und lobe deinen Glanz.<br /><br />Gottfried Keller<br /><br />http://www.poemhunter.com/poem/die-zeit-geht-nicht/
