Bruder, Bruder, halte mich! <br />Warum kann ich denn nicht stehen? <br />Warum kannst du denn nicht gehen? <br />Bruder geh, ich fuehre dich. <br /> <br />Sachte Bruder, stolperst du? <br />Was? Du faellst mir gar zur Erden? <br />Halt! ich muss dein Retter werden. <br />Nu? Ich falle selbst dazu? <br /> <br />Sieh doch Bruder! Siehst du nicht, <br />Wie die lockern Waende schwanken? <br />Sieh, wie Tisch und Flasche wanken! <br />Greif doch zu! das Glas zerbricht! <br /> <br />Himmel, bald, bald werden wir <br />Nicht mehr trinken, nicht mehr leben! <br />Fuehlst du nicht? des Grunds Erbeben <br />Droht es Bruder mir und dir. <br /> <br />Limas Schicksal bricht herein! <br />Bruder, Bruder, wenn wir sterben, <br />Soll der Wein auch mit verderben? <br />Der auf heut bestimmte Wein? <br /> <br />Nein, die Suende wag ich nicht. <br />Bruder, wolltest du sie wagen? <br />Nein, in letzten Lebenstagen <br />Tut man gerne seine Pflicht. <br /> <br />Sieh, dort sinket schon ein Haus! <br />Und hier auch! Nun muss man eilen! <br />Lass uns noch die Flasche teilen! <br />Hurtig! Hurtig! trink doch aus!<br /><br />Gotthold Ephraim Lessing<br /><br />http://www.poemhunter.com/poem/das-erdbeben/
