Am blassen Meeresstrande <br />Saß ich gedankenbekümmert und einsam. <br />Die Sonne neigte sich tiefer, und warf <br />Glührote Streifen auf das Wasser, <br />Und die weißen, weiten Wellen, <br />Von der Flut gedrängt, <br />Schäumten und rauschten näher und näher - <br />Ein seltsam Geräusch, ein Flüstern und Pfeifen, <br />Ein Lachen und Murmeln, Seufzen und Sausen, <br />Dazwischen ein wiegenliedheimliches Singen - <br />Mir war, als hört ich verschollne Sagen, <br />Uralte, liebliche Märchen, <br />Die ich einst, als Knabe, <br />Von Nachbarskindern vernahm, <br />Wenn wir am Sommerabend, <br />Auf den Treppensteinen der Haustür, <br />Zum stillen Erzählen niederkauerten, <br />Mit kleinen horchenden Herzen <br />Und neugierklugen Augen; - <br />Während die großen Mädchen, <br />Neben duftenden Blumentöpfen, <br />Gegenüber am Fenster saßen, <br />Rosengesichter, <br />Lächelnd und mondbeglänzt.<br /><br />Heinrich Heine<br /><br />http://www.poemhunter.com/poem/abendd-mmerung/